Wer sich einmal die Zeit genommen hat Wildkaninchen in Freiheit zu beobachten, der wird schnell festgestellt haben, dass es sich dabei um sehr soziale Tiere handelt. Sie putzen sich, liegen
gemeinsam herum und es hält immer mindestens ein Tier Wache, während andere Grasen oder faul in der Sonne dösen.
Dies legt den Schluss nahe, das auch unsere Hauskaninchen, die Verwandten der Wildies, sehr sozial sind und ihr Leben nicht gern allein verbringen, denn einsam sein ist doof. Wie auch die
freilebenden Verwandten, brauchen unsere lieben Plüschfüße auch immer mindestens einen Artgenossen um sich wohl fühlen zu können - auch wenn wir ihnen viel Zeit und Liebe entgegen bringen, wir
können niemals einen Artgenossen als Freund ersetzen.
Schließlich sprechen wir nicht ihre Sprache und können auch ihren Bedürfnissen nach gegenseitiger Fellpflege nicht nachkommen oder stundenlang gekuschelt neben ihnen liegend verbringen. Kaninchen sollten also niemals allein gehalten werden, sondern immer mindestens zu zweit. Wer genügend Platz hat kann natürlich auch gern eine große Gruppe halten. Nach oben hin sind kaum Grenzen gesetzt.
Vorraussetzungen für eine stressfreie Vergesellschaftung
Wer sich also überlegt Kaninchen anzuschaffen, der sollte sich am besten direkt zwei Plüschfüße holen - oft vermitteln Tierschutzorganisationen oder Tierheime schon Paare, die sich bereits kennen und lieben. Was aber, wenn man bereits ein Kaninchen hat, der Partner verstorben ist oder man einfach die Gruppe erweitern möchte? Kann man einfach ein weiteres Tier zu einer Gruppe dazu setzten oder dem einsamen Tier einen Partner mit in das Gehege setzen? Auch wenn der Gedanke der Richtige ist, so einfach funktioniert das leider nicht. Kaninchen sind sehr revierbezogen und verteidigen ihr Revier oft auf das Äußerste, daher muss so eine Vergesellschaftung richtig angegangen werden, damit es am Ende auch klappt. Aber was muss alles beachtet werden und worauf kommt es an?
Ist die Wahl der Partnertiere getroffen, so kann es bald mit der Zusammenführung los gehen - auch wenn noch alle Vorbereitungen getroffen werden müssen. Zunächst einmal sollten die Neuzugänge mindestens zwei Wochen in Quarantäne verbringen, wenn nicht klar ist woher die Tiere stammen. Sie sollten gründlich vom Tierarzt untersucht und eine Kotprobe sollte abgegeben werden. Schließlich sollten mögliche Untermieter wie Kokzidien nicht auch noch andere Tiere infizieren. Böckchen, die gerade erst kastriert wurden, sollten eine sechs Wöchige Kastrationsquarantäne absitzen, ehe sie vergesellschaftet werden, da sie so lange noch zeugungsfähig sind. Tiere, die von Tierschutzorganisationen übernommen werden sind oft gesund, geimpft und werden erst nach der Quarantänezeit vermittelt, dass dort oft keine Isolation notwendig ist.
Am besten informiert man sich vorher über die Organisation und über das Tier, welches man bei sich aufnehmen möchte. Ist die Quarantäne abgeschlossen kann es los gehen, der große Tag ist da.
Das Gehege:
Aber was muss jetzt beachtet werden? Am einfachsten ist es die Tiere auf einem neutralen Raum zu vergesellschaften, den alle Tiere nicht kennen. Die Tiere sollten sich vorher auch nicht gesehen und gerochen haben, dass sie füreinander vollkommen Fremde sind. Bei einer Vergesellschaftung von zwei Zwergkaninchen wird in der Regel dazu geraten ein neutralen Raum/ein neutrales Gehege mit ca. 4 qm zu verwenden.
Es ist wichtig, dass der Platz nicht zu klein ist, damit sich die Kaninchen bei Bedarf aus dem Weg gehen können. Allzu groß sollte das Gehege allerdings auch nicht sein, da sich die Vergesellschaftung dadurch ungewollt in die Länge ziehen kann, weil die Plüschfüße sich zu sehr aus dem Weg gehen können und gerade Tiere, deren Strategie auf Rückzug steht, haben bei zu viel Platz die Möglichkeit einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen.
Eine Größe von bis zu ca. 6 qm sollte aber kein größeres Problem darstellen. Neben des Platzangebotes sollte darauf geachtet werden, dass die Tiere verschiedene Rückzugsmöglichkeiten haben. Dazu bieten sich Häuschen mit zwei Ein- und Ausgängen an. Es ist wichtig, dass keine Sackgassen entstehen und die Kaninchen immer flüchten können. Wer keine Häuschen mit zwei Ein- und Ausgängen hat kann gern auf Pappkartons zurück greifen und zwei Löcher rein schneiden. Es sollte für jedes Tier mindestens ein Häuschen zur Verfügung stehen. Tunnel können natürlich ebenfalls verwendet werden. Der Boden sollte nicht zu rutschig sein. Viele vergesellschaften ihre Kaninchen gerne im Badezimmer oder im gefliesten Flur. Dies stellt natürlich kein Problem dar, aber man sollte mehrere Baumwollteppiche auf dem Boden auslegen um die Rutschgefahr zu vermeiden, denn es kann hoch her gehen und nicht alle Tiere können gut auf glattem Untergrund laufen. Wichtig ist keine Teppiche aus Kunstfasern zu wählen, da beim Flitzen über diese eine hohe Hitze durch die Reibung entstehen kann, was die empfindlichen Plüschfüße unserer Freunde verletzen kann - zudem werden Teppiche gerne angeknabbert und auch dafür ist Kunstfaser nicht geeignet.
Ist das Gehege aufgebaut, die Häuschen verteilt und ggf. Teppiche auf dem Boden ausgelegt, dann fehlt noch das Futter. Dies sollte während einer Vergesellschaftung ruhig im ganzen Gehege verteilt werden und am besten alles, was die Kleinen gerne Fressen. Von Möhrengrün bis Fenchelsamen, alles ist erlaubt. Dies lenkt sie ein wenig ab und sorgt oft für die nötigen Ruhephasen. Auch sollten mehrere Wasser- und Heustellen angeboten werden. Ist alles vorbereitet? Dann fehlen nur noch die Hauptdarsteller, eine Tasse Tee und manchmal gute Nerven.
Jetzt geht´s los...
Die Kaninchen sollten möglichst gleichzeitig in das Gehege gesetzt werden. Was dann folgt ist bei jeder Vergesellschaftung anders. Manche Kaninchen erkunden zunächst aufgeregt das neue Gehege,
andere gehen direkt auf das andere Tier zu und wieder andere warten erst einmal ab.
Bei einer sogenannten "Traumvergesellschaftung", die sich jeder Halter wünscht, passiert: nichts. Die Kaninchen sehen sich, gehen aufeinander zu und fressen direkt zusammen oder beginnen
sich gegenseitig zu putzen. Dies ist aber sehr selten der Fall. Viel häufiger kommt es zu Jagereien, Rangordnungskämpfen und Rammeln. Dass dabei das ein oder andere Fellbüschel durch das Gehege
fliegt, die Kaninchen voreinander wegrennen, sich angreifen und gegenseitig Berammeln ist vollkommen normal und man sollte die Tiere gewähren lassen. Schließlich müssen sie ausfechten, wer in
Zukunft das Sagen hat und das beste Futter für sich beanspruchen darf.
Bei dem allerersten Kontakt beschnüffeln sich die Tiere meistens vorsichtig, ehe sie "aufeinander los gehen". Manchmal ist dieser kurze Kampf der einzige, da sich ein Tier für den Rückzug entscheidet und das andere es bejagt. Es kann aber auch immer wieder zu Kämpfen kommen. Solange die Tiere wieder voneinander ablassen und kein Tier schreit, sollte man auch nicht dazwischen gehen.
Sollte sich ein wildes Knäul bilden, welches sich nicht mehr löst, dann kann man als Halter eingreifen. Wichtig ist es seine Hände dabei zu schützen und nicht mit bloßen Händen einzugreifen. Kaninchen haben mitunter starke Kiefer und können auch den ein oder anderen Nerv erwischen. Oft hilft aber auch ein kurzer Ruf und die Tiere lassen voneinander ab. Die Jagereien und das Berammeln kann mehrere Tage anhalten. Die Tiere sollten in dieser Zeit nicht räumlich voneinander getrennt werden, da jede Trennung umso schwerere Kämpfe verursachen wird, wenn die Tiere wieder aufeinander treffen.
Solange keine offenen Wunden vorhanden sind und alle Tiere fressen und auch Ruhepausen haben sollte man die Tiere einfach gewähren lassen. Wer sich unsicher ist, der kann sein Nachtlager neben dem Vergesellschaftungsgehege aufschlagen. Finden aber keine Kämpfe mehr statt, sondern nur Fellflug und Berammeln, so kann man als Halter getrost ins Bett gehen - natürlich nicht ohne vorher nochmal alle Futter- und Wasserstellen zu checken. Kleinere Blessuren und leichte Bisswunden sind bei einer Vergesellschaftung relativ normal und sollten kein Grund sein die Tiere über Nacht zu trennen. Nur bei größeren Verletzungen ist ein Gang zum Tierarzt anzuraten oder wenn eines der Tiere das Fressen komplett einstellt.
geschafft....
Spätestens nach einigen Tagen sollte langsam Ruhe einkehren. Die Tiere sollten längere Ruhehasen haben und auch langsam beginnen gemeinsam an derselben Futterstelle zu fressen. Wenn die Tiere
sich vollständig beim Fressen akzeptieren, können sie in ihr normales Gehege umgesiedelt werden. Wenn sie sich sogar bereits schon putzen und nebeneinander kuscheln ist es umso besser.
Bei der Umsiedelung in das neue bzw. alte Gehege, falls ein Tier bereits ein Gehege hatte, kann es erneut zu Rangkämpfen und Fellflug kommen. Dies sollte sich aber in der Regel nach ein zwei
Tagen wieder legen. Auch in dem neuen Revier müssen die Rangordnungsverhältnisse nochmal überprüft werden. Wenn die Kaninchen schlussendlich in ihrem normalen Gehege gemeinsam Fressen, kuscheln
und sich gegenseitig Putzen, so kann die Vergesellschaftung als abgeschlossen angesehen werden.
Allerdings kann jede Änderung der Konstellation, wenn z.B. ein weiteres Tier in die Gruppe integriert werden soll, die Verhältnisse wieder vollkommen ändern. Es können sich neue Grüppchen bilden oder jemand anderes hat das Sagen. Daher sollte man sich immer genau überlegen, ob man eine harmonische Gruppe erweitern möchte und die Tiere noch einmal stressen möchte, oder ob die Gruppe doch gut ist, wie sie bereits existiert.
Selbst wenn alle Zeichen dafür sprechen, dass eine Vergesellschaftung gut gehen würde (z.B. das Zusammenführen zwei gegengeschlechtlicher Zweiergruppen) ist es keine Garantie, dass es klappt.
Auch bei vier Tieren mit ausgeglichenen Geschlechtern kann sich eine Dreiergruppe bilden und ein Tier bleibt außen vor. Daher ist es bei solchen Unterfangen immer gut Plan B bereit zu halten. So
kann aber auch ein fünftes Tier die Karten wieder neu mischen und es bildet sich eine harmonische 5er Gruppe. Bei der Partnerwahl ist es immer wichtig den Charakter der Tiere gut zu kennen und
passende Charaktere auszuwählen.
Dies ist in der Regel wichtiger als Alter und Geschlecht. Man sollte aber auch im Hinterkopf behalten, dass sich manche Tiere auch wirklich einfach nicht leiden können. Sollte eine
Vergesellschaftung von zwei Tieren auch bei einem erneuten Versuch scheitern, wenn alle Regeln der Vergesellschaftung beachtet wurden, dann wäre es sicher an der Zeit über einen anderen Partner
für das Tier nachzudenken. Dies ist aber glücklicherweise sehr selten der Fall.
Ein großes Dankeschön für diesen ausführlichen Gastbeitrag mit der Fotodokumentation von der Vergesellschaftung von Lisbeth (weiß) und Cookie (Schecke). Ehrlicherweise muss man sagen, dass zu der Gruppe auch noch zwei Zwergkaninchen gehören, die sich aber auf den Bildern nicht so gerne zeigen wollten.